Ok ich gebe zu ich habe das ganze Thema um “Bomb and gouge” ganz schön unterschätzt. Und auch als ich in unserem Podcast Golfgeblubber mit Tobi über die bevorstehende U.S. Open gesprochen habe, war ich mir sicher: So ein Platz wie Winged Foot bei New York ist nur mit präzisem Spiel zu bezwingen, denn die Wiese ist echt gemein. Es ist seit jeher Tradition, dass die Herren von der USGA ihre Meisterschaften besonders knackig gestallten. Enge Fairways, ein Rough aus dem Amateure gut 2–3 Versuche benötigen würden um die Kugel überhaupt in die Luft zu bekommen und pfeilschnelle Grüns sind Standard. Ziel der Veranstalter einer U.S. Open war und ist es, die Profis an den Rand ihrer Fähigkeiten zu bringen und das ist auch Ok. Ein Par ist bei den U.S. Open ein guter Score, Punkt. Ein Siegerergebnis mit einem Minus vor dem Endresultat stand 2020 eigentlich überhaupt nicht zur Debatte. Vor allem weil Winged Foot nicht dafür bekannt ist richtig gute Scores zuzulassen. Par 70 mit nur zwei Par 5’s, da weiß man was es spielt.
“Steve Rabideau (Headgreenkeeper Winged Foot) hasst Golfer. Und er bedient sich aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel uns das Leben schwer zu machen.” Mitglied Winged Foot GC
Bring it
Doch dann kam Bryson DeChambeau, der schon im Vorfeld vollmundig angekündigt hatte nicht auf Sicherheit zu spielen, sondern bei jeder Gelegenheit den Driver zu zücken. Jaja soll er mal machen werden sich die Veranstalter gedacht haben, rieben sich nach 3 Tagen Übertragung von Winged Foot allerdings verwundert die Augen. Denn mit Matthew Wolff (-5), DeChambeau (-3) und Ballstriker Louis Oosthuizen (-1) lagen doch tatsächlich immer noch drei Spieler in den roten Zahlen.
Und für noch mehr Verwirrung sorgten die Statistiken der Führenden. Und zwar im Falle der getroffenen Fairways. Der Führende Matthew Wolff, ja das ist der mit dem “Knick” brachte es nach 3 Runden auf magere 12 Landungen auf dem kurzen Rasen. Das ist wirklich auf jedem Platz unterirdisch. Damit aber bei einer U.S. Open das Leaderboard nach 3 Runden anzuführen ist ausserirdisch. Doch wie kommt einer wie der “Wolff” dann zu einem Score von 5 unter Par, wenn er doch fast nur aus dem “Kraut” schlagen musste? Die Lösung ist genau wie bei DeChambeau (hatte nach 3 Tagen immerhin 17 Fairways getroffen) mit der neuen Formel “Bomb and gouge” zu erklären. Wenn man auch auf engen Bahnen den Driver zückt ist der Weg zum Loch danach eben auch kürzer. Und ein Wedge oder 9er Eisen auch aus knöcheltiefen Rough ist für die heutige Generation Powergolfer der Bryson und Matthew angehören eben kein Problem mehr. Wenn dann auch ein paar Putts fallen ist die Überraschung perfekt. Einem schier unbezwingbaren Platz werden von Tee 1 an so die Zähne gezogen. Da in Winged Foot fast nur das Rough und nicht Bäume und Wasser die Gegner waren geht das eben.
Ein Par 5?
Am Finaltag bekam man zu sehen wie weit die Murmel bei den führenden Herren fliegt, sollten sie ausnahmsweise mal das Fairway treffen. Auf Bahn 9 zum Beispiel. 500 Meter lang ist das Par 5 und für uns Amateure mit zwei absoluten Traumschlägen Driver und Holz oder langes Eisen vielleicht zu erreichen. Nicht so bei den Herren Wolff und DeChambeau, die diese bedauernswerte Bahn wie auf einer XBox spielten. Der zweite Schlag ins Grün war für beide ein Eisen 9, ja richtig ein Eisen 9. Die Folge war ein Eaglefeuerwerk. Im Falle Wolff war der Score nach seinem Traumschlag an die Fahne zu erwarten, bei DeChambeau eigentlich nicht. Sein langer Putt hatte einen fiesen Break und war auch nach Meinung der Kommentatoren kaum zu senken. Doch spätestens an Loch 9 wurde man Zeuge, dass Bryson DeChambeau sein Training der letzten Monate nicht nur in der Pumpkammer absolviert hat. “Als ich auf die Tour kam war ich mit Abstand der schlechteste Putter. In den letzten Jahren ist es aber stetig bergauf gegangen und das stimmt mich natürlich sehr zufrieden.” so der “Professor” für dessen Puttstil es immer noch keinen Spitznamen gibt. Wird ihm auch egal sein, denn sein Ziel dem ärgsten Kontrahenten den Wind aus den Segeln zu nehmen wurde an Loch 9 erreicht.
Alle zerlegt, Platz inklusive
Auch wenn Matthew Wolff anschließend ebenfalls nervenstark zum Eagle lochte, war seiner Körpersprache anzusehen, dass er an einem möglichen U.S. Open Sieg zu Zweifeln begann. Zu sehr dominierte Bryson DeChambeau’s Spiel, mit dem der Kalifonier erst mit Wollf gleichgezogen und ihn dann durch einen Schlaggewinn auf der 7 überholt hatte. Im Gegensatz zum Tag 4 Führenden machte Bryson DeChambeau auch nach Bahn 9 einfach weiter. Er zückte Driver um Driver und machte Winged Foot kurz. Ein Birdie auf der 11 baute seine Führung aus und sieben Pars zum Schluss ließen ihn am Ende über seinen ersten ganz ganz dicken Titel jubeln. Da Wolff irgendwann die weiße Flagge hisste und mehr damit beschäftigt war Rang 2 ins Ziel zu retten, blieb DeChambeau mit ‑6 als einziger Spieler im Feld unter Par. Bis auf ihn ging die Rechnung der Veranstalter mit einem knallharten Platz sogar auf. In der Form in der sich Bryson allerdings bei den U.S. Open präsentierte, war er nicht nur für die Konkurrenz, sondern auch für Winged Foot eine Klasse für sich. Noch beeindruckender macht diese Vorstellung, wenn man bedenkt, dass der neue Champion genau das angekündigt hatte. Chapeau !!!
Amazing feeling after so much hard work has gone into this transformation of my game and outlook. Thank you to my fans, team and sponsors for sticking with me. And thank you to the @USGA, @usopengolf and Winged Foot for an incredible test. So honored to have won my 1st major here pic.twitter.com/75OEogzMtc
— Bryson DeChambeau (@b_dechambeau) September 21, 2020