Judgement Day im Le Golf National
Bevor man sich versieht ist es auch schon Sonntag. Der letzte Tag des Ryder Cup wird eine Entscheidung bringen, so oder so. Während die Amerikaner auf ein Wunder hoffen, müssen die Europäer ihren Vorsprung nur noch ins Ziel retten. Wie schon an den Tagen zuvor scheint die Sonne im Le Golf National und die Stimmung ist 1A. Ich habe es in meinem Spotlight in der Golf Week bereits erwähnt, aber ich tue es gerne noch einmal. Das ist Werbung für den Golfsport. Leider dauert diese nur 3 volle Tage und es geschieht wiederum nur alle 4 Jahre in Europa. Dabei könnte es so einfach sein, den Zuschauern Golf im Fernsehen etwas schmackhafter zu machen. Alles was über das normale, oft dröge wirkende Einzel Zählspiel hinausgeht, bietet eine willkommene Abwechslung für den Mann auf der Couch.
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Nachdem sich die Fans in Stimmung gebracht haben, beginnt kurz nach Mittag die Singles-Session. Aus den 12 Matches brauchen die Amerikaner 8 Punkte, um den Cup zu verteidigen. Das sind 2/3 der Matches und das ist, auch wenn es keiner glauben mag, durchaus machbar. Die Frage ist nur, ob die Amis überhaupt noch Lust darauf haben. Schon die erste Partie verspricht jede Menge Brisanz. In der Regel treffen in Match 1 die besten Spieler der jeweiligen Teams aufeinander. Es gilt eine frühe Duftmarke zu setzen und dem Rest der Mannschaft den richtigen Impuls zu geben. Daher kommt es auch wenig überraschend, dass die USA mit Justin Thomas den besten Amerikaner der Woche aufbietet. 3 Punkte aus 4 Partien mit Spezl Jordan Spieth hat er schon auf dem Konto und – ob Rookie hin oder her – Justin Thomas ist heiß! Darum mache ich mir auch etwas Sorgen um seinen Gegner Rory McIlroy. Die bisherige Vorstellung von Rors in Paris glich einer Achterbahnfahrt und ich hoffe, dass der Nordire sein Spiel gegen Thomas zusammen halten kann.
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Jt verleiht seinem Team Flügel
Die Partie verläuft extrem spannend, gerade weil beide Kontrahenten eine Vielzahl an Topchancen auslassen, um den Sack zuzumachen. All square geht es an die 18, was in dieser Woche höchst selten der Fall war. Justin Thomas hat die Ehre und kloppt einen 300 Meter Drive auf die Bahn, dass einem Hören und Sehen vergeht. Er liegt in Prime Position, Rory ist gefragt. Holz 3 vom Tee klingt vernünftig, landet wenig später aber mit Spiegeleilage im Fairway Bunker, Vorteil Thomas. Großer Vorteil Thomas heißt es dann nachdem Rory nach Schlag Nummer 2 immer noch im Bunker liegt und den dritten im Wasser versenkt. Danach ist das Match eigentlich gegessen. Justin Thomas muss seine Annäherung nur noch aufs Grün legen, tut dies und nimmt die Gratulation von Rory entgegen. USA 1, Europa 0 und ein denkbar schlechter Start für die Gastgeber.
Finau dreht total ab
Das Momentum liegt bei den USA, die auch in den weiteren frühen Matches plötzlich vorne liegen. Brooks Koepka führt gegen Paul Casey, Webb Simpson überraschend deutlich gegen Justin Rose, Jon Rahm gegen Tiger ist gefährlich geteilt und danach kommt die dickste Überraschung. In Match 5, in dem Tommy Fleetwood gegen Tony Finau eigentlich sicher punkten sollte, steht die Ryder Cup Welt auf dem Kopf. 5up heißt es nach der 9, aber nicht für Fleetwood, sondern für „“ichhabeheutekeinenbockaufdichtommy“ Tony Finau. Es ist unglaublich was Finau da spielt, in Zahlen: 6 unter Par nach 14 Loch. Mehr werden es auch nicht, da das Match mit 6&4 für Tony endet, der Tommy Fleetwood im wahrsten Sinne des Wortes die wehenden Haare gestutzt hat. Das Leaderboard ist vorne fast komplett rot, da jetzt auch noch Dustin Johnson gegen Ian Pouter führt. Die Amis haben zu einer Charge (Aufholjagd) angesetzt.
Ich rechne mir aus, dass die ersten 6 Partien an die Amis gehen, wenn es ganz blöd läuft und denke mir nur: „Die werden doch nicht etwa?“ Die Anspannung ist zu spüren und ich werde etwas nervös. Die Tatsache, dass Jim Furyk vorne seine besten Spieler aufgestellt hat und seine Gurken aber nicht aussetzen lassen kann, bringt mir wieder etwas Ruhe. Das und ein Bier, welches ich mir nun genehmige. Prost! Ein Kollege von Golf Punk, der eher als ruhiger Zeitgenosse gilt, zappelt vor mir nervös auf seinem Stuhl herum und hat wenig später auch „ne Flasch“ in der Hand. Und als wir da so sitzen und fachsimpeln, was da noch alles schiefgehen kann, kommt er, der berühmte Momentum-Swing.
Europa kommt in Fahrt
Erst teilt ein sensationell kämpfender Paul Casey sein Match mit Brooks Koepka. Pauls Birdie zum Ausgleich an der wirklich sackschweren 17 ist eines der Highlights des Tages.
Huge moment from Paul Casey!
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He wins 17 to square things up heading to 18! pic.twitter.com/O3OtDZ3QQX
Auch Ian Poulter hat langsam genug von seinem Kontrahenten und begibt sich ab der 13 in Ryder Cup-Mode. Es ist ein unfassbar geiles Match. Poults spielt wie entfesselt und haut sich dermaßen oft auf die Brust, dass man Angst hat, ob er 18 Loch durchhalten wird. Dustin Johnson hingegen locht seelenruhig ein paar Putts, die in einem anderen Postleitzahlengebiet liegen und befreit sich so ein ums andere Mal aus der Umklammerung. Aber auch dass DJ an der 16, anstatt das Match zu verlieren, noch einmal einen Monsterputt stopft macht Ian Poulter nichts aus. Er ist voll im Tunnel und macht das Match an der 18 im Stile eines Champions zu.
We needed a lift…
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Step up @IanJamesPoulter! pic.twitter.com/299ze2xGrD
The shot that sealed Poulter’s dramatic win over DJ 👀#TeamEurope pic.twitter.com/xJEMR4PdYb
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Und dann gibt es ja da noch den europäischen Tony Finau des Tages – Thorbjørn Olesen. Der Däne hatte bis zu seinem Duell mit Jordan Spieth nur ein Match an der Seite von Rory McIlroy absolviert und dieses verloren. Danach wurde er von seinem Landsmann auf die Bank gesetzt und zeigte nun, wohl auch mit etwas Wut im Bauch, zu was er fähig ist. Nach 9 Bahnen steht es 5up und zwar nicht für Favorit Jordan Spieth, sondern für Mr. „ichhabheutekeinenbockaufdichjordan“ Thorbjørn Olesen. Auch diese Partie endet nach der 14, aber mit einem dicken Überraschungspunkt für Team Europe. Hut ab, Mr. Olesen.
Rahm liefert endlich ab
Mit 12 ½ Punkten auf dem Konto ist der Sieg für Europa auf einmal zum Greifen nah. Und da Henrik Stenson in der vorletzten Partie einen kläglich agierenden Bubba Watson zu Kleinholz verarbeitet (5up nach 12) eigentlich schon so gut wie im Kasten. Die Frage war nun, wer den entscheidenden Punkt holt. Der bisher etwas zu nervös agierende Jon Rahm (0 Punkte aus 2 Partien) gibt im Match gegen Tiger Woods sein letztes Hemd. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, vor allem weil Rahm ein ums andere Mal seine Chancen nicht nutzt. Dann aber kommt er, der wichtigste und bestimmt beste Drive seines Lebens und das auf Bahn 17. Über 300 Meter fliegt und rollt die Kugel das enge Fairway hinunter. Es folgt ein Sandwegde an den Stock, der erlösende Putt zum Sieg und damit das nächste Highlight des Tages. Nachdem der Ball im Loch verschwindet geht Jon Rahm so richtig ab, und die Zuschauer gleich hinterher. Ohren betörender Jubel schallt über den Platz von Le Golf National und wer den Spanier hier sieht, kann sich ungefähr denken, was ihm dieser Punkt bedeutet.
VAMOS JON RAHM!#TeamEurope pic.twitter.com/4izECi6EFK
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Frankie seals the Deal, Sergio mit Rekord
13 ½ Zähler im Kasten, aber wer macht den Sack jetzt zu? Irgendwie ist es dann passend, dass es Francesco Molinari trifft. Mit dem Sieg in seiner Partie gegen Phil Mickelson holt der beste Spieler der Woche (5–0) den Ryder Cup zurück nach Europa. Und irgendwie ist es auch passend, dass Phil Mickelson diesen mit einem noch nie da gewesen Ereignis beendet. Mit Molinari 3up geht es für beide an die 16, ein Par 3 mit schön viel Wasser vor dem Grün. Frankie trifft das Grün, „Philly Mick“ legt seinen Abschlag im Wasser ab und gibt dem Italiener anschließend die Hand. Der Ryder Cup ist entschieden.
Nun kann die Party beginnen, der Jubel über den Titel ist auf dem ganzen Platz zu hören. Frenetische Fans aller Nationalitäten, außer der USA, feiern ihre Helden. Wenig später ist Stenson im Ziel und fast zeitgleich kommt der große Moment von Sergio Garcia. Er gewinnt sein Match gegen Rickie Fowler und ist nun mit sagenhaften 25 ½ Punkten der beste Ryder Cup Punktesammler der Geschichte. Wer hätte das am Anfang der Woche gedacht? Wohl nicht einmal Sergio, der nach diesem Meilenstein sichtlich ergriffen ist.
The moment @TheSergioGarcia became the all-time leading point scorer in #RyderCup history!#TeamEurope pic.twitter.com/YlfIylYg2V
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Da kommt noch was
The perfect way to finish!!!#TeamEurope #RyderCup pic.twitter.com/8hn4hC8Qf6
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Der Ryder Cup endet mit einem Ergebnis von 17 ½ zu 10 ½ für Europa. Erwähnt seien hier noch kurz die Resultate der letzten Matches. Patrick Reed konnte auf einmal Golf spielen und gewann gegen Tyrrell Hatton 3&2. Alex Noren setzte mit einem gelochten Monsterputt an der 18 den goldenen Schlusspunkt der Matches. Er gewann 1up gegen Bryson DeChambeau.
Stimmen zum Ryder Cup und was sich noch am selben Abend alles ereignen sollte, gibt es in Teil 4 – dem Aftermath.