Ich bin nicht allein
Habe mir gerade das Finale von der Turkish Airlines Open angesehen und bin auf der einen Seite fassungslos, auf der anderen aber glücklich. Denn dank Haotong Li und Justin Rose weiß ich nun wieder, dass ich mit dem Problem den Ball in das verdammte Loch zu schieben, nicht alleine dastehe. Die Putterei ist bei mir seit Jahren eine Katastrophe. An guten Tagen kommt der 3‑Putt nur ein paar Mal um die Ecke, an schlechten mit sensationeller Routine. Es nervt, wenn man von Tee to Green gute Schläge macht, sich den Score aber auf dem Grün versemmelt. In dem sensationellen Buch „A Course Called Ireland“ meines lieben Kollegen Tom Coyne wird das 3‑Putt-Par als „saddest feat in golf“ bezeichnet. Das unterschreibe ich sofort, denn nichts nervt mehr, als das Grün eines Par 5 nach nur zwei Schlägen wie ein Held zu betreten, um es wenig später wie ein Volltrottel mit einer 5 wieder zu verlassen. Doch was jammere ich als Amateur da herum, ich muss ja schließlich mit der Putterei keine Kohlen verdienen. Ganz im Gegensatz zu den gestanden Herren Li und Rose. Und wer sich dann ansieht, wie die beiden auf den letzten 2 Bahnen bei der Turkish Airlines Open mit dem Putter in der Hand herumgegurkt sind, der sollte wie ich Selbstvertrauen tanken.
Puttgemurmel
Die Story des hochdotierten Turniers in der Türkei ist schnell erzählt. Justin Rose will seinen Platz an der Spitze der Weltrangliste wiederhaben. Bis auf Haotong Li kommt ihm dabei im Regnum Carya Golf & Spa Resort auch niemand in die Quere. Doch gerade als Rosey den Chinesen etwas auf Distanz halten kann, antwortet dieser mit einem „Hammer-Eagle“ auf Bahn 15 (Par 5). Das lange Eisen von Li ist ein Traumschlag und endet am Stock.
“COME ON, BE GOOD!“
— The European Tour (@EuropeanTour) 4. November 2018
It was better than good 🎯 pic.twitter.com/B5hcFTdkZX
Li macht den Putt zur 3 und zieht mit dem verdutzten Engländer bei 18 unter Par gleich.
Es ist hochklassig, spannend und dann beginnt die Putterei. Weder Rose noch Li können das Turnier auf der 18 mit einem Par zu ihren Gunsten entscheiden. Beide scheitern kläglich aus einer Distanz, die ein Pro zum Sieg einfach mal lochen sollte. Doch es kommt noch dicker. Justin Rose flattert auf dem Weg zur Nummer Eins der Welt eh schon die Hose. Ein Turnier im Stechen zu entscheiden ist irgendwie nicht sein Ding. 2 Siege und 4 Niederlagen lautet Rosey’s Playoff-Bilanz, die Niederlage gegen Sergio Garcia beim Masters 2017 mit eingerechnet. Doch manchmal muss man selbst gar nichts machen um zu gewinnen. Vor allem wenn der Gegner wie aus dem Nichts wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Am ersten Extraloch verschlägt es Rose und Li erneut auf die 18, und dieses mal wollen es beide besser machen. Zwei tolle Schläge ins Grün werden von den Fans artig beklatscht. Haotong Li liegt einen Ticken näher dran, der Vorteil ist beim ihm. Dieser wird sogar noch größer als Rose aus erneut machbarer Distanz zum Birdie vergibt.
Ne lass mal, nimm Du den Sieg
Haotong Li trennen nun 4 Meter und ein Putt vom Sieg. Es ist ein einfacher Putt, sind sich die englischen Kommentatoren einig. 1,4 Milliarden Chinesen vor den Bildschirmen halten den Atem an, gleich ist es soweit. Doch ihr Landsmann hat anscheinend andere Pläne. Im Stile von Dustin Johnson bei den US Open 2015 kloppt Li den Ball deutlich am Loch vorbei. Und damit die Zuschauer auch richtig geplättet sind, lässt er auch den nächsten Versuch aus. Das Turnier ist vorbei, hier ist sie, die absolute Antiklimax.
Justin Rose schüttelt ungläubig den Kopf, und erwähnt ganz der Sportsmann der er ist, erst einmal den Kontrahenten in seinem ersten Interview. „Ich fühle mit Haotong, es ist schade, dass das Turnier so endet.“ Seine Fassung findet Rosey ob der erneuten Spitzenposition in der Weltrangliste allerdings schnell wieder. „Das fühlt sich sogar noch süßer an als beim ersten Mal. Ich glaube weil ich mir die Position ja jetzt zurückholen musste.“ grinst Rose dann doch noch. Und es sei ihm nach dieser tollen Saison auch wirklich vergönnt.
😁🏆#TurkishAirlinesOpen pic.twitter.com/7UCImU1Nzb
— Justin Rose (@JustinRose99) 4. November 2018
Da Haotong Li eine echt coole Socke ist, mache ich mir um ihn nach seinem Lapsus überhaupt keine Sorgen. Ich danke ihm und Justin Rose vielmehr für ihre „Puttkünste“ die mir zeigen, dass es sogar die besten Spielern der Welt auf den Grüns erwischen kann. Und so ist eigentlich klar was jetzt noch kommen muss. Das gute, alte, total abgedroschene, aber passende Sprichwort:
„Drive is show, putt for dough“
Das erklärt auch warum die Herren Rose und Li während der Turkish Airlines Open massiv versucht haben, das Putten zu vermeiden.
PS: Ich freue mich an dieser Stelle etwas positives von Martin Kaymer berichten zu können. Der geteilte fünfte Platz in der Türkei ist ein Ausrufezeichen, bitte mehr davon.