Stimmung wie beim Dfb Pokal
Der Samstag ist so etwas, wie die perfekte Kopie vom Freitag. Das Wetter ist erneut bombe und die Zuschauer sind schon in den frühen Morgenstunden bei bester Laune. Eine Gruppe von Kopf bis Fuß in Stars & Stripes gekleideter Fans trägt tapfer ein paar Songs vor. Dafür gibt es aus dem europäischen Lager höflichen Applaus. Als Sergio Garcia und Rory McIlroy Tee 1 betreten, geht zum ersten Mal die Post ab. Die Zuschauer singen „Seeeergiooooo, Seeeeeeeeergiooooooo“ und feiern den Spanier. Garcia genießt den Applaus in vollen Zügen, hat er seine Kritiker doch schon nach dem ersten Spieltag im Le Golf National verstummen lassen. Ich gebe zu, dass auch ich ob der zuletzt eher schwachen Form ein Fragezeichen hinter Sergios Nominierung gesetzt hatte. Aber genau wie der DFB Pokal, scheinen der Spanier und ein gewisser Ian Poulter im Ryder Cup ihre eigenen Gesetze zu haben.
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— Ryder Cup Europe (@RyderCupEurope) 29. September 2018
Fragen über Fragen
Da die Partien für Samstagmorgen bereits am Freitagabend feststanden, sehe ich, was sich Jim Furyk nach dem Whitewash hat einfallen lassen. Die Antwort lautet: NICHTS! Mit Koepka/Finau, Johnson/Fowler, Woods/Reed und Thomas/Spieth hat der Kapitän der Amerikaner quasi Copy & Paste gedrückt. So etwas kann und wird nicht gutgehen. Auch unter meinen amerikanischen Kollegen macht sich Unmut breit: „Warum sind die „Bash Brothers“ für einen Vierball Bestball getrennt und warum spielt Reed eigentlich nicht mit Spieth?“, will ich wissen. Als Antwort gibt es ein fast schon hilflos wirkendes Schulterzucken. Die Rechnung für seine fragwürdige Aufstellung bekommt Jim Furyk nach gut 4 Stunden präsentiert. Denn auch eines der wohl gruseligsten europäischen Outfits (Rostbraun/Beige) der Ryder Cup Geschichte, hält Moliwood & Co. nicht davon ab, dieses schwächelnde Team Amerika zu vermöbeln.
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Garcia/McIlroy gehen früh hoch in Führung, straucheln zum Ende der Runde, können den Vorsprung aber ins Ziel retten. Casey/Hatton, die am Vortag mit ihrem Score jedes Team außer Thomas/Spieth geschlagen hätten nutzen ihre Chance auf Wiedergutmachung. Johnson/Fowler werden mit 3&2 weggebügelt. Und Team Moliwood? Die schweben weiter auf Wolke sieben und lassen dem müde wirkenden und quasi allein spielenden Tiger Woods keine Chance. Sein Partner Patrick Reed findet Samstagmorgen überhaupt nicht statt und hat eine Streuung vom Tee, bei der selbst Phil Mickelson vor Neid erblassen würde. Bei einem Zählspiel läge Reeds Score für die 18 Loch jenseits von 80 Schlägen, was für ein Desaster.
Dieses hat nun auch das komplette Team USA ereilt, denn es steht bereits 8:3 für „Europe“ und der nächste Whitewash droht. Damit haben die Europäer seit dem ersten Punkt von Molinari/Fleetwood doch tatsächlich 8 Matches in Folge gewonnen. Ich brauche eigentlich nicht erwähnen, dass das ein Rekord ist, aber ich tue es trotzdem. Justin Thomas und Jordan Spieth ist es zu verdanken, dass die USA nicht auch Match Nummer 9 in Folge verlieren. Sie bezwingen “Poults” und Jon Rahm auf der 17 und stellen auf 4:8. Die eh schon bleiche Gesichtsfarbe von Jim Furyk ist mittlerweile bei 100% weiß angekommen. Für den Nachmittag hat er nur noch ein Ziel: „Stop the bleeding.” (Das Bluten stoppen).
Zeit für Allerlei
Doch jetzt ist erst einmal Pause und ich beschließe bei dem tollen Wetter einen Sparziergang in Ryder Cup Village East nebst Merchandise Zelt zu machen. Da mir auf dem Weg dorthin eigentlich jeder Zuschauer mit einer dick gefüllten Plastiktüte entgegen kommt, werde ich nervös. Und wenig später schaue ich so richtig blöde aus der Wäsche. Die graue Ryder Cap von New Era ist genauso ausverkauft wie die Beanie mit Le National und das dunkelblaue Polo, das ich haben wollte. Ein Verzweiflungskauf kommt mir nicht in die Tüte, da ich das „neue“ Ryder Cup Logo (seit 2012) eh mit gemischten Gefühlen sehe. In Sachen Einkaufslaune sind die europäischen Fans jedenfalls auf bestem Wege, es ihren „Vorbildern“ aus den USA nachzumachen.
Meine Laune ist bestens, denn mich erwartet ein Croque Monsieur im Mediazelt. Auf dem Weg dorthin begegne ich einer Tiger Familie. Papa und Sohn sind vollkostümiert aus D.C. angereist, Respekt!. Genauso wie vor den in blaugelb gekleideten Guardians of the Cup. Die britische Fangruppe unterhält die Zuschauer jeden Ryder Cup mit eigenem Liedgut und sorgt für gute Stimmung. Ich mache ein Selfie mit Sir Nick Faldo, der hinter der Tribüne 1 wie ein ganz Normalsterblicher ein paar Ryder Cup Souvenirs einkauft. Dann noch mit den Guardians und den Tigern. Es folgen der Croque Monsieur mit gefühlt 2000 Kalorien und dann die Nachmittagsmatches.
Auf der Tribüne gibt es eine Überraschung. Für den Nachmittag ist Satu aus Finnland als Marshall eingeteilt, die Chance sie zu treffen liegt bei ca. 4000:1. Wir herzen uns und lachen über den Zufall, da wir uns eine Woche zuvor noch auf Facebook in Sachen Ryder Cup geschrieben hatten. Satu ist eine gute Golferin, und leidenschaftliche „Volunteuse“ bei großen Golfevents. Ein Interview mit ihren Insights wird es auf dieser Seite bestimmt auch irgendwann einmal geben.
© HTR (5)
Selfie-Time mit Sonnenbrille (ja ich weiß.….) und Satu aus Finnland, Sir Nick Faldo, den Tigern, und den Guardians of the Cup. Dazu einmal die Monster-Rekord-Tribüne auf Tee 1 aus einer anderen Perspektive, nämlich von innen.
Dicker Vorsprung
Gemeinsam bestaunen wir den ersten Auftritt der „Bash Brothers” (endlich), die aber nicht wie beste Kumpels, sondern etwas unterkühlt wirken. Am späten Abend erfahre ich zumindest, wie sich die hängenden Schultern des 3‑fachen Majorsiegers Brooks Koepka erklären ließen. Ein verzogener Drive von Brooks hatte am Freitag eine Zuschauerin ins Auge getroffen und ihr wohl für immer die Sehkraft genommen. Sichtlich bestürzt erkundigte sich der Amerikaner nach ihrem Befinden, konnte den Vorfall aber logischerweise nicht einfach aus den Klamotten schütteln. Der von mir so freudig erwartete Auftritt von Koepka/Johnson ist eine Enttäuschung. Die Longhitter verlieren 2&1 gegen die Giganten Rose/Stenson, Punkt 9 für Europa ist im Kasten. Etwas überraschend müssen sich anschließend Garcia/Noren den Exoten Bubba Watson und Webb Simpson mit 3&2 geschlagen geben, ehe Team Moliwood wieder an der Reihe ist. Der schon bemitleidenswerte Tiger Woods darf sich ein drittes Mal mit dem Dreamteam messen und bringt mit Bryson DeChambeau immerhin einen neuen Partner zur Schlachtbank mit. Mehr als 14 Bahnen aber bekommt der Rookie an der Seite von Tiger nicht zu sehen, dieses 5&4 tat sicher richtig weh. Mit dem 10. Punkt auf Europas Habenseite ist es zum Abschluss wieder an Thomas/Spieth den Schaden in Grenzen zu halten. Wie gut die beiden Spezln gerade im Vierer harmonieren, davon konnte man sich Samstagnachmittag überzeugen. Poulter/McIlroy liegen zwar nach zwei Bahnen bereits 2up, haben anschließend aber keine Chance mehr. Von der 5 bis zur 15 lochen Spieth/Thomas so ziemlich alles und spielen 5 unter Par. Das ist für einen klassischen Vierer außerirdisch und nicht einmal von Ian Poulter und Rory McIlroy zu toppen. Das Bluten der USA ist gestoppt, der Vorsprung von Europa nach den beiden Vierertagen mit 10:6 allerdings gewaltig.
Day two at the #RyderCup in 60 seconds pic.twitter.com/ti3yhCzNm9
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Sonntag geht die Post ab
Es ist aber auch ein trügerischer Vorsprung, den die Amerikaner beim Heimspiel 2012 in Medinah zum Beispiel nicht ins Ziel bringen konnten. Auch deshalb gibt sich Jim Furyk bei der PK noch zuversichtlich. Dazu kommt, dass die Amerikaner seit jeher die besseren Einzelspieler haben. Für Spannung ist jedenfalls gesorgt, und ein Blick auf die 12 Einzel für den Sonntag verspricht zusätzliche Brisanz.
Sunday #RyderCup match-ups pic.twitter.com/2bDE8EBxcZ
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Thomas Bjørn ist natürlich zufrieden, aber auch er mahnt zur Vorsicht und will den Tag nicht vor dem Abend loben. Wenn es am Sonntag aber kein Desaster auf europäischer Seite gibt, haben wir das Ding im Sack.
“We need to go out there and play hard.“
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Captain Thomas Bjørn on #TeamEurope’s approach to Sunday. pic.twitter.com/pyRHDaHoYo